„Vererben zu Lebzeiten“ oder auch „Geben mit warmer Hand“
Eigentlich ist es doch eine schöne Überlegung: Das Haus, in dem man alt werden möchte, das vielleicht schon seit Generationen in der Familie ist und in dem die Kinder großgezogen wurden, wird schon zu Lebzeiten durch eine vorweggenommene Erbfolge an einen Nachfolger übergeben (lebzeitige Schenkung). Das Kind – oder auch ein anderer Nahestehender - verpflichtet sich im Notarvertrag, den Eltern ein Wohnungsrecht im Haus zu bewilligen und ihnen bestimmte Dienste zu leisten - von wöchentlichen Fahrten zum Einkaufen bis hin zu umfassenden Pflegeleistungen. Das Kind zieht dann mit seiner Familie ein und Kind, Schwiegerkind und Enkel sind glücklich und zufrieden, kümmern sich um das Haus und die Altenteiler, diese sind bestens versorgt und haben immer ihre Lieben um sich.
Leider scheint diese Art des Zusammenlebens nicht mehr gut zu funktionieren. Je enger man zusammenlebt, desto schwieriger wird es für alle Mitbewohner. Und das liegt nicht nur an der jungen Generation, in der Mann und Frau meistens Vollzeitberufen nachgehen – insbesondere auch die ältere Generation erwartet neben den vereinbarten Pflegeleistungen häufig große Dankbarkeit und widerspruchslose Hinwendung, denn das Haus ist ihr Lebenswerk. Und dann sitzen dem Kind und seiner Familie auch noch die Geschwister im Nacken, die sich ungerecht behandelt fühlen. Diese müssen häufig noch gegenständliche Pflichtteilsverzichtserklärungen im Vertrag der vorweggenommenen Erbfolge abgeben: Sollten die Geschwister nach dem Versterben der Eltern einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung geltend machen, wird die Schenkung an das eine Kind nicht zum Nachlass hinzugerechnet.
Gerade jetzt, da die Immobilienpreise in südwestlichen Berliner Speckgürtel „durch die Decke gehen“, werden die Übernehmer sowohl von den Eltern als auch von den Geschwistern argwöhnisch beobachtet, ob sie auch alle übernommenen Verpflichtungen erfüllen und wie die Rente und das Pflegegeld der Eltern verwendet werden, damit insoweit noch ein Erbe der weiteren Geschwister bleibt…
Kein Vertrag kann so formuliert werden, dass die emotionalen Ansprüche der Vertragsparteien erfüllt werden.
Sollten Pflegeleistungen dann nicht wie erwartet erbracht werden, kommt „grober Undank“ als gesetzlicher Rücktrittsgrund ins Spiel. Wenn das Zusammenleben unzumutbar wird, kann je nach Schwere der Verstöße verlangt werden, die Schenkung rückgängig zu machen.
Es gibt aber auch noch andere Gefahren - Stichwort Elternunterhalt: Sollten die Eltern aufgrund geringer Renten mittellos werden, insbesondere, wenn sie dann doch in ein Pflegeheim umziehen müssen, kann ein Sozialhilfeträger versuchen, auf die Schenkungen zurückgreifen.
Daneben gibt es mögliche vertragliche Rücktrittsrechte, die auch schon mit Vertragsschluss im Grundbuch gesichert werden können: So können z.B. Vorversterben oder schwere Suchterkrankungen des Beschenkten, Veräußerung des Hauses an einen Dritten oder der dauerhafte Wegzug des Beschenkten dazu führen, dass der Schenker die Schenkung rückgängig machen möchte.
Unsere Erfahrung:
Die lebzeitige Schenkung als vorweggenommene Erbfolge ist sinnvoll, wenn Vermögensbestandteile in bestimmte Hände gelangen und die Erbschaftssteuerlast geringgehalten werden soll oder sich der Schenker nicht mehr um das jeweilig zu verschenkende Vermögen kümmern möchte. Erbschafts- und schenkungssteuerliche Freibeträge können alle 10 Jahre ausgenutzt werden und – je nach Verwandtschaftsverhältnis - Vermögensteile erbschafts- bzw. dann schenkungssteuerfrei übertragen werden.
Die vorweggenommene Erbfolge des Elternhauses unter Vereinbarung eines (Teil-)Wohnungsrechts und Pflegeleistungen spart zwar später Erbschaftssteuer – ist aber häufig Beginn der gegenseitigen Unfreiheit.
Unsere Tipps:
Lassen Sie sich zu den Folgen und alternativen Regelungen beraten. Erhalten Sie sich als ältere Generation die Gunst der möglichen Erben und gehen Sie vorprogrammiertem Streit aus dem Weg.
Sollte es schon zu Streit gekommen sein, verhelfen wir Ihnen zu Ihren vertraglichen und gesetzlichen Rechten – sei es als ältere Generation oder als diejenige Generation, die zwar in den Genuss der Schenkung gekommen ist, durch diese aber geknebelt wird.
Allerdings werden wir immer versuchen, soweit uns möglich, zwischen den Parteien zu vermitteln und gemeinsame Lösungen zu suchen, denn die Wahrung des - familiären – Zusammenhalts, so wie er damals bei Vertragsschluss angedacht war, ist und bleibt ein wertvolles Gut, welches nicht leichtfertig aufzugeben ist. Neue Regelungen können hier einen Ausweg jenseits der Rückabwicklung und der völligen Entzweiung der Generationen bieten.
Dipl.-Ing. Agr. Gabriele Heinichen
Rechtsanwältin und Mediatorin (DAI
Freie Mitarbeiterin in der Kanzlei Stoof Rechtsanwälte