Enterbt aber pflichtteilsberechtigt – welcher Anspruch steht mir zu?

Enge Angehörige können durch letztwillige Verfügung (Testament) enterbt werden. Nach dem deutschen Erbrecht steht Abkömmlingen (Kinder, ggf. Enkelkindern), dem Ehegatten und den Eltern des Erblassers ein Pflichtteilsanspruch zu, den sie gegenüber dem/den Erben geltend machen können. Der Pflichtteil besteht in Höhe des hälftigen gesetzlichen Erbteils. Ein Ergänzungsanspruch kann sich aus lebzeitigen Schenkungen des Erblassers ergeben. Schenkungen des Erblassers an seinen Ehegatten unterliegen dabei auch nicht der Zehnjahresfrist, sondern sind immer voll ergänzungspflichtig. Zunächst muss der Pflichtteilsberechtigte Auskunft über den Bestand des Nachlasses und lebzeitige Schenkungen erlangen, um seinen Anspruch beziffern zu können. Er kann den/die Erben auffordern, ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis zu errichten oder ein vom Notar aufgenommenes Nachlassverzeichnis fordern. Letzteres ist mit Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Die Kosten sind aus dem Nachlass zu zahlen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Beschluss vom 7. März 2024 die Anforderungen an die Ermittlungspflichten von Notaren konkret dargelegt: Notare müssen den Nachlassbestand eigenständig feststellen und dessen Richtigkeit eigenverantwortlich bestätigen. Ein bloßes Beurkunden der Angaben des Erben genügt ebenso wenig wie eine rein formale Plausibilitätsprüfung. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte auf weiteren Klärungsbedarf hindeuten – etwa im Hinblick auf Schenkungen oder ungewöhnliche Geldbewegungen –, sind erweiterte Nachforschungen geboten. Einem Beleganspruch gegenüber Dritten kann nachgegangen werden. Nach neuerer Entscheidung des BGH kann die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht mit Hinweis auf den damit verbundenen Aufwand verweigert werden. Bei lückenhaften Angaben des Erben hat der Notar eigenverantwortlich zu recherchieren, etwa bei möglichen Schenkungen durch Einsichtnahme in Kontoauszüge für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren vor dem Erbfall.

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Martina Stoof, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht und Erbrecht