Höfeordnung in Brandenburg – ein Erdbeben?

Seit dem 19.Juni 2019 gilt sie nun auch in Brandenburg, die ehemals in den unter britischer Besatzungsmacht stehenden Bundesländern zur Vererbung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe eingeführte „Sondererbfolge“ nach der Höfeordnung. Was wurde damals und was wird heute damit bezweckt? Zunächst der Sicherung der Nahrungsmittelproduktion in Nachkriegsdeutschland dienend, wurde später daraus ein Instrument der Agrarförderung: Der Erhalt rentabler Betriebe durch Vererbung an einen geeigneten Hofnachfolger aus der Familie unter Abfindung der weiteren Familienmitglieder weit unter dem Verkehrswert, sozusagen aus der Portokasse (der „Lachgroschen“) und natürlich unter Abzug der den Hof betreffenden Schulden des Erblassers. Das führte zwar zur Stabilität in der landwirtschaftlichen Struktur und eine Zerstückelung der Landschaft, wie man sie aus dem Flugzeug in Süddeutschland so gut beobachten kann, wurde dadurch begrenzt. Das heißt gerade in letzter Zeit aber auch: Enormer Wertzuwachs beim Hofnachfolger und Quasi-Enteignung der weichenden Familienmitglieder.
Ein Hof ist nur dann ein Hof im Sinne der Höfeordnung, wenn er im Eigentum einer natürlichen Person, von Eheleuten oder einer Gütergemeinschaft – zum Beispiel eine Erbengemeinschaft – steht. Alle anderen Eigentumsformen, wie Anteile an einer Kapitalgesellschaft oder Mitgliedschaft in einer Genossenschaft fallen nicht darunter. Ab 10 ha kann, ab 20 ha ist ein Hof ein „Hof“. Weitere Bedingung ist, dass der Hof Gebäude hat, in denen gelebt werden kann und von denen aus der Hof bewirtschaftet wird, die Hofstelle. Die Flächen dürfen vorübergehend verpachtet sein.
Zur Hofeigenschaft gehört allerdings auch, dass das Vermögen nur der Land- und Forstwirtschaft dient, somit „hofeigen“ ist und nicht gewerblich genutzt wird. Streitigkeiten sind dann vorprogrammiert, wenn der Hofnachfolger Teile des Hofes veräußert, eine Windkraftanlage errichtet, Räume für Veranstaltungen vermietet: Das alles gilt dann als „hoffrei“. Oder wenn die Geschwister bezweifeln, dass der Auserkorene den Betrieb überhaupt führen kann... oder keine Hofstelle im Sinne des Gesetzes mehr vorhanden ist oder der Hofnachfolger mit dem Erlös aus dem ererbten Betrieb einen Ersatzbetrieb erwerben möchte – und und und.
In Brandenburg gilt aber auch noch Folgendes: Erst ab 2024 erfolgt die Vererbung nach der Höfeordnung „automatisch“ – der Hofeigentümer kann dann jedoch dem Grundbuchamt gegenüber erklären, dass sein Hof nicht nach der Höfeordnung vererbt werden soll und er die normale gesetzliche Erbfolge, Erbfolge nach Testament oder Erbvertrag oder die Vererbung als Landgut vorzieht - durch Eintragung eines „negativen Hofvermerks“ im Grundbuch.
Bis dahin, also bis zum 31. Dezember 2023, kann ein Eigentümer dem Grundbuchamt gegenüber erklären, dass er die Vererbung nach der Höfeordnung herbeiführen möchte und das Grundbuchamt wird dann den Hofvermerk in das Grundbuch eintragen.
Landwirte, Ehefrauen, Kinder, Geschwister, Eltern, Patchworkfamilien, Geschiedene aufgepasst!: Die Höfeordnung ermöglicht völlig neue Konstellation der Erbfolge in Brandenburg und so mancher „Nicht-Landwirt“ wird sich jetzt wundern, dass sein Erbe – spätestens ab 2024 „automatisch“! – zusammenschmilzt, während sein Bruder oder seine Schwester zu Millionen kommt… Und es gibt versteckte Fallen: So kann bei Testierunfähigkeit des Hofeigentümers ein Bevollmächtigter den Hofvermerk beantragen (bis Ende 2023) oder löschen (ab 2024), zu zahlende Abfindungsbeträge können gestundet werden müssen - bei Minderjährigen sogar gesetzlich bis zu deren 18. Lebensjahr - und dazu gilt auch noch die kurze Verjährungsfrist von Ansprüchen der weichenden Erben von drei Jahren!
Mancher Landwirt wird nächstens mehr Zeit vor dem (Landschafts-)Gericht als auf dem Acker verbringen. Lassen Sie uns reden - und regeln. Sortieren Sie Ihre Erbschaftsangelegenheiten durch Erbvertrag oder vorweggenommene Erbfolge und vermeiden Sie Streit! Ist es dazu zu spät, genießen Sie die Vorteile einer Erb-Mediation – und auch vor dem Erbfall kann eine Mediation sich bereits abzeichnende Probleme unter den Erben nachhaltig lösen. Denn das Leben ist zu kurz, um sich mit seinen Nächsten zu streiten und zu wertvoll, um in Vorhersehung eines Streits unter den Erben zu sterben.